Himmelsräume
James Turrells Roden Crater
In der Wüste Arizonas liegt er, nicht weit vom Grand Canyon entfernt: der Roden Crater.
Vor tausenden von Jahren erloschen, ein Vulkankrater, einst das Stammland der Navajos und Hopi-Indianer und bald ein Kunstwerk. James Turrell, der Lichtkünstler, der spirituelle Architekt, der bärtige Kraftpol aus dem amerikanischen Flagstaff arbeitet seit über zwanzig Jahren an diesem wohl gigantischsten seiner insgesamt gerne großangelegten Projekte.
"Ich möchte Menschen zum Sehen verführen, damit sie entdecken, was in ihnen ist", sagt Turrell und sein Krater ist sicher der ambitionierteste Versuch, diesen spirituellen Kunstbegriff umzusetzen. Seine Lichtinstallationen sind oft in fast dunklen Räumen angesiedelt, denn nur in relativer Dunkelheit sind unsere Augen geöffnet und bereit, den Raum zu erspüren. Mit den Augen fühlen, so könnte auch der heimliche Untertitel für das Roden Crater Projekt lauten. Einzig der Wahrnehmung des Himmels soll der Krater dienen, der erloschene Vulkan als gigantisches Auge zum Universum. Turrell möchte hier dem Betrachter das Licht von Sonne, Mond und Sternen aus völlig neuer Perspektive offenbaren in den Gängen und Räumen seines Kraters. Die Besucher sollen sich im Zentrum der Bergmulde auf den Rücken legen, die zu einem randscharfen Oval ausgeformte Krateröffnung gibt den Blick frei für eine einmalige Welt- und Selbsterfahrung. "Ich möchte ein Gefühl dafür geben, dass man sich auf dem Planeten Erde befindet, eine Empfindung für das Ausgesetztsein unserer Existenz", sagt Turrell und disponiert im Grunde die Natur als Farbe und Leinwand zugleich.
Dieser Krater ist ein kühner Traum und zugleich ein Werk, für dessen Realisierung der Künstler zahllose ganz reale Hürden überspringen mußte. Angefangen von dem Erwerb des Landes, das nur als Nutzland verkauft werden durfte. Deswegen ist Turrell Ranchbesitzer, der mit Hilfe eines Vorarbeiters eine große Viehherde managt. Über die alle Rahmen sprengenden finanziellen Aufwendungen - ein Großteil der Energie des Künstlers ging in die Akquise von Geldern für das Kraterprojekt. Bis hin zu den Jahre dauernden, Massen bewegenden Bauarbeiten.
In der Zwischenzeit hat Turrell diverse andere Installatioen realisiert, rund um die Welt ausgestellt, aber mit erstaunlicher Ausdauer niemals den Roden Crater aus den Augen verloren.
Im Februar 2001 wird die bislang größte Ausstellung in der Nähe des Kraters diesem Mammutprojekt Tribut zollen. Erstmals dürfen auch kleinere Besuchergruppen die Reise ins Turrellsche Kraterlicht antreten. Wie kein zweites Werk ermöglicht der Roden Crater einen tiefen Einblick in das Schaffen von James Turrell, der hier mit der irrwitzigen Ausdauer eines Besessenen sein Hauptwerk zur Vollendung führt.
Wir begegnen einem charismatischen Künstler bei seiner Arbeit, überfliegen mit ihm, dem begeisterten Hobbypiloten den riesigen Krater, besuchen ihn auf seiner Ranch, gehen zur Ausstellungseröffnung, erforschen die Tunnel und Räume des Kraters und liegen auf dem Rücken, um den Himmel zu schauen, exakt eingerahmt von der Rundform des Kraterrandes.